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Günter Bach, SPD-Parteivorsitzender und stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat, Dez. 2008

Redebeitrag zum Tagesordnungspunkt “Ausbau der Kreisstraße K35, Ortsumgehung Grafschaft-Esch; Sachstand und weiteres Vorgehen” (Antrag der CDU-Fraktion vom 7. November 2005)

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Pföhler, Kolleginnen und Kollegen des Kreistags, meine sehr geehrten Damen und Herren,

da der Antrag der CDU-Fraktion elementare Interessen der Gemeinde Grafschaft betrifft, und ich in dieser landwirtschaftlich geprägten Gemeinde seit über 20 Jahren gerne lebe – seit 1989 bin ich Mitglied im Grafschafter Gemeinderat, zwischenzeitlich war ich 15 Jahre Ortsvorsteher im Ortsbezirk Nierendorf – , trage ich die gemeinsame Position der SPD-Fraktion im Kreistag und der SPD-Fraktion im Grafschafter Gemeinderat vor.

Richtig ist, dass sich der Grafschafter Gemeinderat im April 1986 mit Mehrheit für die von der CDU geforderte östliche Trasse (große Lösung) ausgesprochen hat.

12 Jahre nach diesem Beschluss ist die Diskussion über die Notwendigkeit von Umgehungsstraßen heftig und kontrovers in der Gemeinde Grafschaft diskutiert worden.

Die SPD-Fraktion im Grafschafter Gemeinderat hat dann im April 1998 den Antrag gestellt, auf die beiden Varianten der Umgehungsstraßen zu verzichten, also auf die Westumgehung (westlich von Esch) und auf die Ostumgehung (große Lösung). Die Argumente, die damals galten, gelten auch heute uneingeschränkt – mittlerweile sind noch zwei wesentliche Argumente dazugekommen, die uns in der ablehnenden Haltung gegenüber dem CDU-Antrag bestärken.

Welche Argumente sind dies im einzelnen?

1. Argument: Ökologische Aspekte

Der Nabu-Vorsitzende im Kreis Ahrweiler, Albert Leuers, favorisiert die Null-Variante. In seinem Schreiben an die Kreisverwaltung vom 24.05.1998 liefert er eine – wie ich meine – eindrucksvolle ökologische Begründung für diese Position:

„In der Gemeinde Grafschaft hat die Umgestaltung des Lebensraumes durch die Bebauung eine Dimension erreicht, die im Kreis Ahrweiler wohl ohne Parallele ist. Als Folge dieser Aktivitäten sind zum Teil irreversible Schäden an Umwelt und Natur zu beklagen. Lebensräume für Tiere und Pflanzen wurden zerstört und eingeengt, eine Vernetzung der Biotope wird ebenfalls nicht durchgeführt“.

Schon im Rahmen der Anhörung zum Raumordnungsentscheid (im Raumordnungsverfahren gemäß § 18 Landesplanungsgesetz für die K 34 / K 35 -Umgehung Esch/Holzweiler, Gemeinde Grafschaft, Landkreis Ahrweiler) vom 1.12.1995 kommt der Naturschutzbund (NABU) zu folgendem Ergebnis: „Von den drei vorgeschlagenen Varianten vermöge keine zu befriedigen…

Die Variante 2(Ostumgehung) sei mit Abstand die umweltunverträglichste der geprüften Varianten“.

Auch meiner Überzeugung nach beeinträchtigen die Varianten 1 und 2 (Westumgehungund Ostumgehung) nachhaltig den Naturhaushalt und das Landschaftsbild der Grafschaft.

Die damals von CDU, FWG und FDP favorisierte Ostumgehung (Schneise vom Gelsdorfer Gewerbegebiet zur Panzerstraße – mit schöner Aussicht auf Holzweiler und Esch) stellt keineswegs eine Maßnahme dar, die die Natur ohne weiteres verkraften kann. Jeder Verantwortliche muss sich die Eingriffe in den Naturhaushalt und ins Landschaftsbild nicht nur bildhaft vorstellen, sondern auch auf der Zeitachse verdeutlichen.

Welche Eingriffe sind in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen?

• Der Lebensraum der Gemeinde Grafschaft ist durch den Bau der Autobahnen für alle Zukunft nachhaltig belastet und räumlich zerschnitten worden.

• Die Versiegelung der Flächen bzw. der Landschaftverbrauch hat gerade auf der Grafschaft in den letzten Jahrzehnten außerordentlich stark zugenommen und wird auch in Zukunft noch zunehmen. (z.B. Ausweis neuer Baugebiete oder Innovationspark mit derzeit, 22 ha)

• Im übrigen ist festellbar, dass die Gemeinde Grafschaft in diesem Jahrhundert zu einer ausgesprochen landwirtschaftlich geprägten, waldarmen Gemeinde mit wenig Hecken und Straßenbegleitgrün entwickelt wurde. [Der Anteil der Waldfläche betrug 1974 18 % der gesamten Gemeindefläche. So lag der Waldanteil sehr deutlich unter dem Schnitt des Regierungsbezirks (44 %), des Landes (39,5 %) und des Bundes (29%)]

2. Argument: Das bestehende Verkehrsnetz reicht aus

In der Stellungnahme des Referats 42 der damaligen Bezirksregierung heißt es abschließend: „Die Variante 2 (Ostumgehung) wird aus forstlicher Sicht abgelehnt.“ Als erstes Fazit der Anhörung kann folgendes festgehalten werden, so hieß es damals

a) Das bestehende Verkehrsnetz im Gesamtraum ist leistungsfähig…

b) der Raum der südlichen Grafschaft und des mittleren Ahrtales braucht keine Direktverbindung zum Raum Bonn…

c) Zur Beruhigung der Ortsdurchfahrt Esch sind verkehrslenkende Maßnahmen zu erproben. Durchgangsverkehr soll erschwert und auf das bestehende funktionale Straßennetz gelenkt werden“.

Im Erläuterungsbericht zum ergänzenden Raumordnungsverfahren für die Umgehung Esch vom Februar 1998 heißt es, dass „eine prinzipielle Verkehrsabnahme nicht festzustellen war“. Die Verkehrslenkungsmaßnahmen wurden unterlaufen durch 23 Werbeschilder an der B 257, die auf verschiedene Veranstaltungen im Ahrtal hingewiesen hatten. Eine Beschilderung, die die Menschen irritiert, wie z. B. ein Geradeaushinweis auf Dernau in Richtung Altenahr, verfehlt seine Wirkung. Ein Hinweisschild auf starkes Verkehrsaufkommen bzw. Verstopfungen auf der Strecke nach Dernau, inbesondere an den Weinwochenenden, könnte die Fahrer veranlassen, über Altenahr oder über Bad Neuenahr-Ahrweiler die Orte Dernau oder Maischoß zu erreichen.

Mit dem Raumordnungsentscheid der Bezirksregierung Koblenz vom 26.02.1999 wird es dem Kreis Ahrweiler als Baulastträger freigestellt, eine neue Straße zu bauen, selbst wenn sie nicht zwingend notwendig ist.

Damit wird die Stellungnahme der Planungsgemeinschaft Mittelrhein-Westerwald vom 29.06.1995 als irrelevant betrachtet, in der es heißt:

• In den “Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ (EAE 85) sind Ortsumgehungen dann zu bauen, wenn die Spitzenbelastung der Ortsdurchfahrt bei 800 Kfz pro Stunde bzw. bei mehr als 8000 Kfz pro Tag liegt. In Esch sind die Tagesbelastungen weit unterhalb dieser Werte, im Regelfall ca. 900-1500 Kfz, in Spitzenzeiten ca. 3400 Kfz. Damit ist eine Umgehungsstraße nicht notwendig.

• Die Kreisstraßen K 34 und K35 sind nicht im „Funktionalen Straßennetz“ enthalten. Die Erreichbarkeit der Orte der Mittelahr ist über das vorhandene, gut ausgebaute „Funktionale Straßennetz“ gegeben. Damit ist eine zusätzliche Straße überflüssig.

Im Ergebnis kann also folgendes festgehalten werden:

Heute ist es so, dass die Mittelahr über Ahrweiler (ca. 3 km zum Autobahnaufbringer A61) und seit einigen Jahren über Altenahr (über die zum Teil neu gebaute B 257) an die Autobahn angebunden ist.

3. Argument: der geplante Ausbau widerspricht den Zielen der Gesundheits- und Fitnessregion

Der Bau der von der CDU geforderten Ostumgehung bringt mehr Verkehr, mehr Abgase und mehr Lärm auf die Grafschaft, insbesondere für den Ortsbezirk Holzweiler – dies ist nicht im Interesse der Grafschafter Bürger und nicht im Interesse des Landkreises, der sich als Gesundheits- und Fitnessregion versteht. Wir sollten die Lebensqualität in den Dörfern steigern, indem wir auch auf der Grafschaft Radwege bauen – einige Gemeinden (z. B. das Brohltal) oder der Landkreis haben sich vehement für den Radwegebau eingesetzt, eine sehr erfreuliche Entwicklung im Sinne der Gesundheits- und Fitnessregion.

Hinzu kommt, dass eine solche Ostumgehung meines Erachtens nicht mit den Zielen der AEP (agrarstrukturelle Entwicklungsplanung) vereinbar ist.

4. Argument: die dramatische Haushaltslage

Die dramatische Haushaltslage (Zitat Landrat Dr. Pföhler “UNS KANN FINANZIELLE HANDLUNGSUNFÄHIGKEIT DROHEN”) muss zur Folge haben, dass wir uns bei jeder Investition die Frage stellen müssen, welche Rendite sie abwirft, aber auch welche sozialen Kosten mit der Investition verbunden sind. Ich sehe eine hohe Rendite der Millionen-Entscheidung für das Schulprogramm im Landkreis Ahrweiler, auch sehe ich die 12 % Rendite der vorbildhaften Investitionsentscheidung über die Installation von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Schulen in Trägerschaft des Landkreises – ich sehe nicht nur eine Null-Rendite der Investition der Ostumgehung, sondern ich sehe zudem hohe soziale Kosten in Form von Emissionen und Lärm, die diese Investition verursachen würde. Ich sehe nur einen winzigen Vorteil für Dernauer Bürger, die auf einer weitgehend gerade verlaufenen Rennstrecke maximal 5 Minuten schneller am Meckenheimer Kreuz sind.

In dieser Kreistagssitzung werden wir uns noch mit der Zukunft der Kreismusikschule und mit Kindergartengebührenerhöhungen zu beschäftigen haben – hierbei geht es um grundlegende Zukunftsinvestitionen mit hohen Renditen. Der Bau der K 35 kostet den Landkreis ca. 1,2 Mill. Euro (= 40 % der Gesamtkosten in Höhe von 3 Millionen Euro) – diesen Betrag sollten wir u. e. besser in unsere Jugend investieren.

Vor dem Hintergrund der vier Gegenargumente

• die grundlegenden ökologischen Bedenken,

• das bestehende Verkehrsnetz reicht aus,

• der geplante Ausbau widerspricht den Zielen der Gesundheits- und Fitnessregion und

• die dramatische Haushaltslage

lehnt die SPD-Fraktion die von der CDU geforderte Ostumgehung ab und spricht sich für die Null-Lösung aus. Wir sind dafür, dass die provisorische Baustrasse vom Bund planmäßig im kommenden Jahr zurückgebaut werden soll. Dies war auch den betroffenen und besorgten Bürgern seinerzeit versprochen worden.

Günter Bach

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